Sonntag, 13. November 2011

Das Date mit der Tochter

Der Maranello hielt vor dem Tor. Knirschend meldeten sich die Kiesel unter den neuen Reifen. Der Schwarze Lack glänzte in der Sonne in einem bläulichen Schimmern. Er war sauber und frei von Macken und Kratzern. Als wäre er gerade gekauft worden und man fuhr ihn ein. Ein lebendiger Schatzbrief. Und so manch Mensch konnte ihn sein eigenen nennen. Ja, eigentlich nur einer. Das Verdeck war zurück geklappt, alles automatisch. Ein Arm in einem weißen Hemd gehüllt lehnte sich über die Tür, schnippten die Finger in einer galanten Bewegung die Asche von der Zigarette. Alles da wo es hin sollte, nur nicht ins Auto. Wobei der Aschenbecher trotz intensiver Nutzung aussah wie geleckt. Wie sein Vater stet’s sagte, er pflege das Auto mehr als sein Leben. Was natürlich Unsinn war. Denn heute konnte man es natürlich mal wieder sehen, er hatte einen gewissen Stil und den Willen sich zu präsentieren und profilieren. Bei seinem Aussehen, so fand er, könne man sich das ohnehin erlauben. Auch mit der stark neigenden Achse auf die runde Zahl seines Lebens, der Dreißig, wirkte er äußerlich immer noch wie ein junger Bursche der noch nicht viel von der Welt gesehen hatte. Doch das täuschte und genau deswegen wurde er am laufenden Band unterschätzt. Viele machten sich das zu nutze, so auch der Herr dieses Hauses vor dem er stand. Nicht jener war unschuldig der danach aussah, denn wie sagte man – der Schein trügt das wesentliche. Man hat Sieben Sekunden, sieben verdammte Sekunden um das gegenüber einzuschätzen. Schätzt man falsch, konnte das den Tod bedeuten. Man musste wegen den namhaften Designern, die seine Klamotten hergestellt hatten, auch kein großes Geld ausgeben, denn immerhin, so hatten diese ihre Firmen auch hier. Und wer immer seine Firmen hier hatte, wusste schon wie man zahlte, Geschenke machte um den Frieden zu bewahren. Außerdem, wer wie er, sechs Schwestern hatte, wusste warum es sich lohnte solche „Geschenke“ anzunehmen. Sie liebten die Kleider, blieben ruhig und gesittet. Ja, das war mittlerweile immer so ein Problem geworden. Durch die Erziehung seiner streng Katholischen Mutter, kam es soweit das man, bevor man ihm den Verstand, wie sie zu sagen pflegte, mit einer Waffe aus dem Kopf geprügelt hatte, viele der Tugenden gelernt hatte, auf die gerade die alten Familien sehr viel wert legten. So auch den Respekt vor der Frau, zumindest was seine Mutter anging, so gab es eine wichtige Sache im Leben: Respektiere sie und behandele sie anständig, dann wirst du nie das Gefühl haben, nicht geliebt zu werden. Und was war seine Aufgabe geworden? Er achtete auf seine Schwestern. Hielt sie im Auge, bewahrte ihre Ehre vor so manchen Typen die meinten diese anmachen zu müssen. Und nun war er hier, nicht auf die Anweisung des Don’s sondern wegen einem Rendezvous mit seiner Tochter Luciana, die ihn gestern mehr oder weniger damit überrascht hatte, nicht nur ein Treffen zu fordern sondern auch gleich die Uhrzeit und den Ablauf festlegte. Ein nettes Essen, ein bisschen Tanzen. Am besten auch noch beides gleichzeitig. Es hieß sie mochte Opern. Mochte weiße Lilien. Aber hier ging es nicht mehr um Lieblingsblumen, denn wenn man das so betrachtete dann war Luciana genauso wie Nessa steht’s nur die Tochter des Hauses gewesen und nie mehr. Jetzt aber, musste er sich damit auseinander setzen, das Luciana nicht nur eine Tochter war, sondern auch eine junge Frau die das Interesse an Männern an sich entdeckte. Und nun, nun war er da. Das Potenzielle Opfer? Der Glückspilz unter den vierblättrigen Kleeblättern? Er wusste es nicht. Nur das er sich mit dem Druck, erst mit dem Don zu sprechen musste, um einer Tochter des Hauses einen Wunsch zu erfüllen. Nun wusste er wie es war wenn die jungen Schnösel vor der Tür standen und sich erdreisteten mit einer seiner Schwestern ausgehen zu dürfen. Während sie die Auserwählte fertig machte, da nahmen er und sein Bruder den Typen unter die Lupe. Die meisten verschwanden dann ohne die Schwester. Gut, die nahm es ihren Brüdern natürlich krumm und fluchte das ganze Haus zusammen, aber die Erfahrung zeigte so immer wieder, das die, die sich so einschüchtern ließen und Reißaus nahmen, es ohnehin nicht ernst meinten und nur die Schwester deflorieren wollte, was natürlich ein hässlicher Affront ist. Ein Mädchen ging als Jungfrau in die Ehe und so gehörte sich das auch. Bei Männern? Ja, da war man erst ein Mann wenn man sich dort schon bewiesen hatte. Und das Leidtragende war, das man ohne als diesen anerkannt, keine Chance hatte sich in diesem Geschäft zu beweisen. Und nun stand er da, hatte eheliche „Rechte“ schon vollzogen und machte sich keine Gedanken um die Ehrbarkeit der Töchter dieses Hauses. Er stellte die Musik aus, die im Radio lief, drehte und zog den Schlüssel dann. Der Motor hörte auf vor sich hinzubrummen. Der Strauss Rosen lag auf dem Beifahrersitz. Langstielige von voller Farbe in ganzer Blüte, ohne Dornen, obwohl es hieß das die Dornen zu einer Rose gehörten, wie der Schnee zum Winter, doch er wollte ja nicht das Luciana sich daran verletzte. Ja, er hatte keine Lilien geholt. Für so ein treffen hagelte es Rote Rosen so schien es. Und langsam beschlich ihn einfach das Gefühl er würde es mit seinen Bemühungen übertreiben. Der Tisch in dem Feinschmeckerrestaurant in der Stadtmitte war reserviert. Tanzen am Pier, in dem hübschen kleinen Cafe am Hafen. Auf das raten seiner Schwestern natürlich. Er hatte von seinen jüngeren Schwestern Tipps bekommen, wie der Abend noch schöner als geplant werden kann. Weil diese aus Erfahrung gesprochen hatten, hatte es natürlich ärger und böse blicke gegeben, aber letztendlich war er dankbar für die Ratschläge. So kam es auch, das Essen und Tanzen an zwei verschiedenen Orten stattfinden sollten, so dass man Luft zwischen den beiden Dingen haben könnte. Er hatte die Erfahrung, hatte vor einiger Zeit viele schöne treffen mit seiner Verlobten gehabt, aber nachdem man sie erschossen hatte, stand dies alles still. Man sagte zwar es sei wie Fahrradfahren – man verlerne es nie, aber nun war es doch so, als fing man teilweise von vorne an. Doch egal wie man es dreht und wendete, man kam immer zu dem Schluss das es keine Alternative gab, als endlich aus dem Wagen zu steigen; das Tor zu passieren und durch den Garten zur Hintertür zu gelangen. Die Tür des Wagens wurde geöffnet, der Wagen ruckelte in wenig und dann wurde die Tür wieder zugedrückt. Der Weg durch den Garten zur Hintertür wurde immer länger, wenn er so einen Blick darauf warf. Gekleidet wie gesagt in sündhaft teuren „Geschenken“. Anders als die meisten in seiner Familie konnte er mit Goldschmuck an sich wenig anfangen und so trug er Silber. Das waren aber auch nur ein einfacher, schmuckloser Ring, einer Uhr mit einem ledernen schwarzen Armband und einem edlen Ziffernblatt und natürlich einer feingliedrigen Halskette, mit einem einfachen kleinen Karo, auf dem die Jungfrau Maria abgebildet ist. Er trug sie immer, sie war etwas wie ein Talisman. Er trug ein Weißes Hemd, auf dem sich in einem sanften Perlmutt ein schimmern abhob. Das Weiß hatte zwei Gründe. Es bezeugte einen gewissen Plan der ich-rühr- sie- schon- nicht- an- Tatsache und es machte sich sehr gut auf seiner braungebrannten Haut. Seine Beine, und demnach auch der Unterleib gekleidet in einer Figurschmeichelnden schwarzen Hose. Ja, er sah nicht schlecht aus, und eigentlich hatte er keine Probleme damit Frauen kennen zu lernen, das Problem an sich war nur, das er einen Job hatte bei dem man sein Leben viel zu oft riskieren musste und wie er festgestellt hatte auch das leben seiner Familie. So war es nicht weiter verwunderlich das er zuhause recht wenig von dem geschehenden erzählte. Und nach außen hin recht wenig erzählte. Die Familie ging eben über alles. Und daher, keine Frauen mehr wo man sich mehr erhoffte als den schnellen Spaß dem man frönte. Das konnte man in jedem der vorhandenen Bordellen der Stadt haben und war nicht mehr als ein stück totes Fleisch zu bearbeiten. Er konnte das ganze verwalten hatte es aber nach dem ersten Male nie wieder getan. Klar, was hatte man nicht alles getan um sich einen Namen zu machen, um sich Respekt zu verschaffen. Viele Dinge die man bereuen konnte, aber eigentlich nicht den willen fand es jemals zu überdenken und ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Er hob den Strauß mit den vierundzwanzig Rosen aus dem Wagen. ‚Gib sie ihr vorher’ hieß es. So konnte sie diese in Ruhe in Empfang nehmen und in eine Vase stellen. Was sollte sie auch mit einem solchen Strauss in einen Restaurant. Noch einmal, sah er an sich herunter. Die Schuhe sauber, bereit um sich blaue Flecken zu den ohnehin schon vorhanden zu bekommen, die er Nessa zu verdanken hatte, die ja freundlicherweise einen Schlagring dazu benutzte um anderen die rippen zu zertrümmern. Und selbst dann konnte sie keine andere Frau in ihrem Alter erschießen. Glaubte sie etwa die andere hätte gezögert? Na ja, was soll’s – endlich ging er durch das Tor, schob die Sonnenbrille über seine Stirn nach oben und hielt sie dort gehalten. Der Strauss wippte in seiner rechten Hand, an der Seite auf und ab, den Kopf nach unten. Warum man das so machte war ihm fremd aber die Zeit erklärte das schon noch, oder die Neugier, sollte sie den willen, es nicht wissen zu wollen besiegen. Er lief durch den garten hob seinen Kopf um zu dem Fenster Lucianas zu blicken. Er war früh dran ja, aber aus gutem Grund – ein Gespräch mit dem Vater ihrer. Dem Don. Jetzt kam es darauf an auf sein Urteil. Da Luciana wohl am Abend bestimmt schon mit ihm gesprochen hatte, machte er sich keine Sorgen das man glauben könnte er hätte sie dazu überredet. Natürlich, wenn es so kommen sollte das man sie in Frage stellte nähme er die Schuld auf sich, aber bis dahin, blieb zu hoffen das der Don, nicht dagegen haben würde, wenn Sergio seine Tochter heute ausführen würde.

0 Kommentare: