Das Geräusch ließ sie
dermaßen verschreckt zusammenzucken dass sie den deutlichsten Fehler aller
tödlichen Fehler begang. Sie tat nichts und ließ sich ganz von der Panik
behindern. Ihre schmalen Augen suchen die Umgebung ab, doch selbst ihr
verschärfter Blick half ihr in diesem finsteren Waldstück in dem strömenden
Regen nicht weiter. Sie sollte wirklich vorsichtiger sein, schalt sie sich
selbst, ganz besonders wenn sie zu Fuß unterwegs war. Durchnässt und halbe
erfroren schritt sie weiter voran, wurde das Gefühl aber nicht los, dass jemand
hinter ihr her war, sodass ihr Blick immer wieder verstohlen über ihre Schulter
glitt. Doch nun hielt sie den magischen Pfeil und Bogen schon griffbereit. Es
war keine Waffe die man sehen konnte bevor sie sie nicht einsetzen würde. Sie
fühlte sich vorbereitet aber unsicher wie zuvor. Wenn sie ihre Flügel
ausbreiten würde, um über die Baumkronen zu fliegen, war sie ein leichtes Ziel
für alle Schützen und fliegenden Wraith. Die leuchtend weißen schwingen würden
dazu einladen sie abzuschießen. So ein leichtes Ziel. Aber hier auf dem Boden
fühlte sich einfach nicht wohl. Das Volk der Windelfen fühlte sich frei wie die
Vögel, definitiv wohler. Es lag nicht nur an der Situation, es war das ganze.
Natürlich konnte sie sich verteidigen. Aber nicht in dem gewünschten Ausmaß. Sie
war Klerikerin. Eine Heilerin. Keine Kriegerin. Sie besaß eher Instinkte für
das Leid anderer als für den Kampf.
Einen Unterschlupf wollte sie
finden um dem grässlichen Wetter zu entkommen und glaubt eine Hütte gesehen zu
haben als sie hoch über den Wolken geflogen war, bevor der Regen eingesetzt
hatte. In der Ferne zogen sich gleißende Blitze über das Firmament. Gerade als
sie wieder alle Vorsicht in den Wind schoss, knackt es im Unterholz erneut.
Erschrocken drehte sich um, hob ihre Hände in Position und sah zu wie der Bogen
aus purer Energie in ihren Händen Gestalt annahm. Den ebenso bläulich
leuchtenden Pfeil zog sie mühelos durch und die Sehne spannte sich. Vor ihr
stand ein Mann, leicht geneigt. Sie erkannte ihn sofort als einen Abkömmling
der Meereskinder aus dem Süden. Kein Volk das für den Sanftmut bekannt war. Sie
hielt den Bogen weiterhin gespannt auf das Ziel vor ihr. Er war, soweit sie es
sehen konnte, ausreichend bewaffnet um sie mit Leichtigkeit umzubringen. Doch
er tat nichts, außer sie anzusehen. Er besaß nicht einmal die Courage selbst
sein Messer zu zücken. Ihre Hand zitterte auffallend was er zum Anlass nahm
sich aufzurichten. Sie verfolgte seine Bewegung weiterhin schussbereit, doch
nun stahl sich ein abfälliges Lächeln über seine Lippen. Sein Gebärden war sehr
eindeutig. Verspottete sie ohne ein Wort. Sein Blick Sprach bände. Du schießt ja
doch nicht. Du bist tot bevor der Pfeil den Bogen verlässt. Und erweckte damit
ihren gerechten Zorn. Sie hatte über die Meereskinder gelesen während ihrer
Studien bei ihrer Priesterin, ihrer geschätzten Lehrerin. Lautlose, schnelle
Killer. Lautlos war er nun nicht gerade gewesen, höhnte sie innerlich ihrer
Gedanken Lügen strafen, doch das verunsicherte sie nur noch mehr. Der Regen
peitschte ihnen ins Gesicht. Sie presste ihre Lippen aufeinander. Wenn er
glaubt sie würde nicht schießen, irrt er sich gewaltig! Doch sein Lächeln verebbte
und dann sackte er zusammen auf seine Knie und wurde ohnmächtig. Einfach so.
Sie ließ die Hände sinken und der Pfeil und Bogen verschwanden. Kurz zögerte
sie noch, witterte einen Trick. Wieder wollte sie kurz auf ihren Fluchtinstinkt
vertrauen, doch sie rührte sich nicht von der Stelle. Er bewegte sich nicht
mehr. Ob er tot war? Das kann ihr so abwegig vor. Bis eben. Sie kniete sich vor
ihn hin und berührte ihn an der Schulter, er war warm. Ihre Hand legte sich an
seine Stirn. Fieber. Er glühte regelrecht. Mit einem seufzen legte sie ihr
leichtes Gepäck ab. Vor einigen Stunden hatte sie einen Nildrachen erlegen
können, sein Fleisch war zäh aber es sind genügsame Tiere. Leichte Beute. Sie
wollte den Assasinen herum drehen um nachzusehen ob er eventuellen Wunden erlegen
war, da schlossen sich seine Finger hart um ihr Handgelenk, wie ein
Schraubstock. Mit Schreckens laut wollte sie weg von ihm, doch er hatte sie
fest im Griff. Sein Blick durchbohrte sie, dass sie erstarrte. Da grinste er.
„Reingefallen.“
„Lass mich los.“
„Lass mich kurz überlegen…
nein“, stattdessen griff er in seine Tasche und zog ein dünnes Seil hervor. Sie
ahnte was auf sie zukommen würde also versuchte sie sich von ihm zu lösen, doch
er war ihr körperlich überlegen und ehe sie sich versah lag ihr Rücken flach
auf dem Boden, während er sich über sie schwang und begang mühelos ihre Hände
zu fesseln. Im Gegensatz zu ihr, wusste er offenbar wie man sie
handlungsunfähig machen konnte. Sie war auf freie Hände angewiesen um auch nur
irgendwas bewirken zu können.
„Was willst du von mir?“
Töten schloss sie aus, dann würde er sie sicher nicht fesseln.
„Darüber mache ich mich
später Gedanken“, ihre Hände waren auf aneinander gefesselt, er stand auf und
zog sie mit Schwung ebenfalls auf die Beine. Sofort brachen ihre weit
spannenden federnden weißen schwingen aus ihrem Rücken. Sie wollte davon
fliegen. Doch auch wenn sie ihn zweifellos überrascht hatte, wirkte er ihren Aufschwung
entgegen, stemmte sich mit aller Kraft in den Boden und zog sie zurück auf den
Boden. Bis kurz bevor sich ihre Nasen berührten zog er sie an sich ran.
„Noch so eine Nummer und ich
schneit sie die ab!“ zischte er gereizt und sah mit Genugtuung, wie die Drohung
wirkte und sie ihre Flügel einzog. Er neigte sich runter und hob ihre Tasche
auf, die er schulterte ohnehin hineinzusehen. Mit einer ihr bisher unbekannten
Grobheit zog er sie, an ihren Fesseln hinter sich her.
Entweder wusste er wo die
Hütte stand, weil er sie ohne große Probleme fand, doch er hatte einfach
schieres Glück. Er warf einen prüfenden Blick auf das zum einfallen neigene
Gebäude und band sie dann an einem Baum fest, ehe er prüfte ob die baufällige
Hütte einigermaßen sicher war. Während er die Gegend ab suchte ließ sie den
Kopf hängen. In was für eine Lage hatte sie sich da manövriert? Gefangene von
einem Typen der angeblich nicht wusste was er mit ihr anstellen sollte, was ihn
unberechenbar machte. Was wenn ihm doch noch Mord in den Sinn kam? Das wussten
doch alle. Assasinen sind lautlose Mörder. Feinde wurden nicht unterschieden,
denn es gab nur Feinde. Wie konnte sie nur so naiv sein? Hätte ihr nicht
bekannt sein sollen dass die Meereskinder eine höhere Körpertemperatur hatten
als andere? Womöglich, doch dieses Wissen kam nun zu spät. Sie sah auf. Von ihm
war nichts zu sehen, noch zu hören als sie lauschte. Eilig versuchte sie die
Fesseln zu lösen, doch die Knoten waren raffiniert. Der verstand sein Handwerk.
Sie seufzte. Und wenn er sich entschieden hatte sie einfach hier stehen zu
lassen? Großartig! Da hatte sie die Heimat verlassen um sich dem immer
währenden Krieg gegen die Wraith Bestien anzuschließen und endete als beraubte
an diesem Baum. Und eines Tages würde man ihre Überreste finden. Nein! So
wollte sie auf keinen Fall enden. Da er nicht in Sicht war, schob sie erneut
ihre schwingen hervor und versuchte sich mit dem Schwung von den Fesseln zu
lösen. Zweimal ruckte sie bevor sich kalter Stahl an ihren Hals legte und er
sie mit Körperkraft gegen den Baum drückte
„Habe ich dazu nicht was
gesagt?“
Sie hielt augenblicklich inne
um der Klinge zu entkommen.
„Na?“ Fragte er nach und
scharte die Schneide über die empfindliche Haut.
„Ja“, gab sie kleinlaut bei.
„Dann schneide ich sie jetzt
ab!“
Verschreckt zuckte sie
zusammen und spürte wieder scharfe Messer in die Haut schnitt.
„Bitte nicht!“, stieß sie
hervor, spürte wie ihr Blut über die Brust lief.
„Dann willst du jetzt artig sein?“
Sie nickte nur, doch er
drückte sie ruckartig wieder gegen den Baum.
„Ja!“ bestätigte sie und zog
erneut die schwingen ein. Er zog das Messer weg und sie senkte den Kopf.
Niederlage. Schon wieder.
„Mach mir keine
Schwierigkeiten und dir passiert auch nichts.“
Sie schluckte, nickte wieder.
Auch wenn sie mehr Angst denn je hatte, würde sie sich dem fügen. Es blieb ihr
nichts anderes übrig.
Wenig später, wenn auch bis
auf die Knochen durchnässt, saßen sie unter dem Dach der Hütte. Die Hände noch
immer gefesselt, den Rücken an der Wand. Der Assasine saß an der
gegenüberliegenden Wand und untersuchte eine Stelle an seiner Brust. Er war
also doch verwundet worden, dachte sie, doch er hatte einen Verband darum
gewickelt und trank lediglich ein Gebräu, doch es wurde nicht helfen. Dem
Ausschlag nach war, was auch immer ihm getroffen hatte, die Wunde vergiftet.
Sie hatte derlei oft in ihrer Ausbildung gesehen und wusste wie man solche
Wunden reinigen musste damit sie nicht wieder aufbrachen. Doch diesem Grobian
wollte sie sicherlich nicht helfen wollen. Sie presste die Lippen aufeinander
und atmete nur vor sich hin. Er nahm den Verband ab und fluchte ob des Eiters, dessen
süßlicher Geruch bis zu ihr drang.
„Du bist Heilerin oder?“
Sie sah ihn an und dann
demonstrativ zur Seite. Soll er doch verrecken, dachte sie stur, vor mir hat er
keine Hilfe zu erwarten. Er taxierte sie mit seinem Blick bevor er aufsprang
und zu ihr kam. Grob packte er ihr Kinn und zwang sie, ihm in die Augen zu
sehen. Es waren schöne Augen, musste sich gegen jeden Willen eingestehen. Sein
Griff war es allerdings nicht.
„Wolltest du nicht artig
sein?“ rief er ihr in Erinnerung. Sie versuchte ihm in die Hand zu beißen doch
er zog sie weg. Grinste wieder.
„Bissig, hm?“ erbaute sich vor
ihr auf und began seine Rüstung abzulegen. Je nackter er wurde umso mehr musste
sich zwingen hinzusehen. Die Muskeln waren definiert durch und durch. Der
Körper durch Training gestärkt, durch Kämpfe gezeichnet.
„Das war das Vieh das mir das
angetan hat, auch“, fuhr er fort und zeichnete die alten narben nach die sich
quer über seinen Brustkorb zogen, „und jetzt ist es tot.“
Sie spürte wie ihr Mund
trocken wurde.
„Schade, ansonsten hätte ich
meinen Dank ausrichten können.“
„Sprichst du wieder mit mir?“
Sie biss sich auf die Lippe
und sah wieder weg.
„Also - bist du nun in der
Heilkunde bewandert? Dein Rucksack ist voller Medikamente.“
Sie schnaubte. Das hatte also
getan als sie in den Baum gefesselt war. Er wartete auf ihre Antwort doch sie
schwieg beharrlich.
„Hilfst du mir wenn ich dich
los binde?“
Sie sah zu ihm, vermied aber
irgendwo anders hinzusehen als in sein Gesicht. Sie wog die Alternativen ab.
Und mit freien Händen hatte sie eine Chance ihm zu entkommen, also nickte sie.
Er griff zu seiner Hose auf dem Boden und zog ein Messer hervor mit dem er sich
vor ihr hockte. Er hielt ihr die Spitze vor die Nase.
„Eine falsche Bewegung und du
musst dir nie wieder Sorgen um deine Flügel machen, weil das was ich dir dann
antun werde tausendmal schlimmer wird. Verstanden?“ sein Blick bohrte sich in
ihren. Sie nickte vorsichtig und er schnitt ihr noch nach weiteren taxieren die
Fesseln durch. Sofort massierte sich die steifen Handgelenke. Das straffe Seil
hatte seine Spuren hinterlassen. Nichts für die Ewigkeit, dafür würde sie schon
sorgen. Er blieb vor ihr hocken, den Oberkörper gestreckt. Sie atmete tief
durch und legt ihre Hand an seine warme Haut. Den Heilspruch musste sie
mittlerweile nicht mal mehr laut aussprechen ihre Hand glühte auf und das Licht
wanderte weiter in die Wunden auf seiner Brust. Sie strich abschließend darüber
und rasch wuchs gesunde Haut nach. Er verfolgte ihre Bewegungen und hielt ihre
Hand fest bevor sie sie wegziehen konnte. Sie war zuversichtlich dass sie nichts
falsch gemacht hatte, also erwartete sie endlich etwas freundliches. Dank zum
Beispiel. Stattdessen hatte sein Blick etwas Raubtierhaftes angenommen.
„Ab heute gehörst du mir!“ sie
sah ihn erschrocken an. Das war nun ein geschmackloser Witz, nicht wahr?
„Wie bitte!?“
„Du hast schon verstanden,
was ich gesagt habe.“
„Ich gehöre niemanden!“ Sie
versuchte sich aus seinem Griff zu befreien.
„Bis jetzt nicht. Aber jetzt
wirst du dich an den Gedanken gewöhnen müssen mir zur Verfügung zu stehen!“
„Niemals!“
„Du hast keine Wahl. Ohne
mich überlebst du keine drei Tage da draußen.“
„Ich bin vorher bestens allein zurecht
gekommen!“
„Halt den Mund, wenn du nicht
weißt du von du sprichst.“
„Ich weiß sehr wohl wovon ich
spreche! Ich hab auch unzählige Wraith erlegt!“
„Die kleinen schafft selbst
ein Säugling. Da wo ich hingehe ist mehr los als der Kinderkram in den
Provinzen.“